„My artificial nature“ titelt der Verein Junge Kunst die zurzeit in der Ladengalerie, Schillerstraße, laufende, erste größere Einzelausstellung der Künstlerin Bettina Pousttchi. Bettina Pousttchi, geboren 1971, lebt in Köln. Sie studierte an der Kunstakademie Düsseldorf bei Gerhard Merz und Rosemarie Trockel und nahm 1999/2000 am Independent Study Program des Whitney Museum of American Art in New York teil.
Der Bilderkosmos Bettina Pousttchis scheint auf den ersten Blick eine Welt der Oberflächen zu sein, glatt, perfekt wirken ihre großformatigen Arbeiten. Die Digitalprints beruhen auf Wiedergaben von Mikrostrukturen des Körpers, die durch Computerbearbeitung neue utopische Formen und Räume entstehen lassen.
Ihre Blutbilder sind zunächst nichts anderes als banale Bilder, Aufnahmen von Blutzellen und Gewebestrukturen, so wie sie durch das Rasterelektronenmikroskop produziert werden. Erst durch den anderen Blick und manipulierende fototechnische Eingriffe werden daraus Ansichten von Strukturen, „Landschaften“, die sich weit von der ursprünglichen Vorlage entfernen. Der Blick unter die Haut präsentiert sich in wissenschaftlichen Bildern, die reale Körpersubstanzen als phantasmatische Gebilde zeigen. Innere und äußere Wirklichkeiten werden überblendet entlang der Grenze von Bild und Abbild, Code und Form.
Bettina Pousttchi begibt sich auf das Terrain des Wissenschaftsdiskurses, um eine eigene Version der Weiterfindung qua Technologie zu kreieren. In dem Video „Double Empire“ wird New Yorks Empire State Building optisch zerlegt und neu zusammengesetzt. Die filmische Annäherung an das legendäre Gebäude beginnt mit der Aufnahme der oberen Stockwerke. Die Kamera gleitet an der Fassade ein Stück weit herab, um dann in scheinbar endloser Fahrt entlang des seriellen Fassadenrasters in die Tiefe zu stürzen.
In dieser artifiziellen Filmwahmehmung wird Architektur zu einem dynamischen Konstrukt, das konventionelle Raumvorstellungen hinterfragt. Objektive Beschreibung wird überlagert von subjektiver Erfahrung, die das psychologische Moment der Raumwahrnehmung visualisiert. Die Bausteine des Realen werden neu formatiert und der Raumkörper des Wolkenkratzers wird zu einem mobilen Ganzen, das das Verhältnis von Oberfläche und Tiefe neu definiert. (Quelle: Wolfsburger Nachrichten vom 25.1.2001)