Die Videos, (Sound-)lnstailationen und Textarbeiten der 1977 in Bukarest geborenen Künstlerin Andrea Faciu basieren auf persönlichen Sinneswahmehmungen, Erfahrungen und Erinnerungen. Diese inszeniert sie oftmals als Mediatoren zwischen innerer Wirklichkeit und äußerer sozialer Realität. Ihr grundlegendes Arbeitsmaterial ist dabei die gesprochene und geschriebene Sprache. In den Videos überträgt sie ihre Gedankenwelt in ausschnitthafte Bilder, die von ihrer Stimme mal redend, mal singend untermalt werden. Häufig tauchen verschiedene Worte und Sätze in unterschiedlichen Sprachen auf, wobei deren Klang eine ebenso wichtige Rolle spielt wie ihre Bedeutung.
Ausgehend von dem Sprichwort „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ bildet Andrea Faciu in der Videoarbeit Alles nichts (2004) eine aufeinander folgende Reihe von Gegensatzpaaren. Der Text spiegelt einen gedachten und gefühlten Status Quo der Dinge zu einer bestimmten Zeit wider, ohne eine endgültige Definition der benutzten Gegensätze zu liefern.
Im zweiten Video der Ausstellung, Le luneux (2003), singt Faciu ein französisches Volkslied, das sie erstmals mit siebzehn Jahren auf einer Schallplatte entdeckte und anschließend auswendig lernte. Sie schlüpft in die Rolle des Ich-Erzählers, der seine Gedanken, Empfindungen und Träume ausdrückt und gleichzeitig die ideale Freundschaft und das Leben in der Gesellschaft in Frage stellt. Dabei steht die ausschnitthafte, sinnliche Inszenierung im Gegensatz zum persönlichen, kritischen Hintergrund des Textes. Wenngleich die Künstlerin nicht eindeutig erkennbar ist, verleiht sie dem Song dennoch durch ihre Stimme und durch die auf ihren Erinnerungen basierende Neuinterpretation eine individuelle Note.
Bei der eigens für die Ausstellung produzierten quadrophonischen Toninstallation Träume und Komplizen (2010), die in enger Zusammenarbeit mit dem Komponisten Guillaume Blondeau entstand, konzentriert sich Andrea Faciu ganz auf das Auditive. Dabei reiht sie assoziativ momenthafte Sinneseindrücke und (alb-)traumhafte Gedankenfetzen, Zitate, Alltagsgeräusche und Filmmusik in dadaistischer Anmutung aneinander. Auf poetische und beunruhigende Weise stellt Faciu, wie in ihren anderen Arbeiten auch, Fragen nach der menschlichen Existenz, Vergänglichkeit, Zeit und unserer Bestimmung.
Eingebettet werden die Arbeiten in eine raumgreifende Installation, in der Andrea Faciu nahezu den gesamten Ausstellungsraum von Junge Kunst mit grauem Malervlies und Rohrisolierungen verkleidet. Sie platziert ihre Arbeiten gleichsam in einer „Grauzone“, in der die vorhandene Architektur kaum noch sichtbar ist. Eindeutigkeit fehlt auch unseren Träumen, da die Erinnerung an sie automatisch Informationen löscht. In ihren Kohlezeichnungen verbindet Faciu beides, indem diese als traumhafte Gebilde architektonischer Strukturen zu lesen sind.
Andrea Faciu repräsentierte letztes Jahr (gemeinsam mit zwei weiteren Künstlern) den rumänischen Pavillon auf der 53. Biennale in Venedig. Träume und Komplizen ist Facius erste Soloshow in einem deutschen Kunstverein und gleichzeitig eine Doppelausstellung, deren zweiter Teil im Kunstverein Braunschweig zu sehen ist. in Kooperation erscheint zur Ausstellung ein Katalog mit Textbeiträgen von Susanne Köhler und Katrin Meder, sowie einem Interview mit Angelika Nollert.