In seiner Einzelausstellung widmet sich Benedikt Flückiger der Basis einiger vorangegangener Arbeiten – einer umfangreichen, gefundenen Sammlung von Videokassetten aus drei Jahrzehnten. Eine große Bandbreite an damaliger Fernsehunterhaltung wurde auf mehr als 12000 VHS konserviert. Man hätte die Kassetten ungesehen entsorgt und vergessen, hätte der Künstler nicht interveniert und einen Teil davon gerettet.
Aus dem Leben des Sammlers sind nur wenige Fakten bekannt. Ein pensionierter Lehrer, Witwer, der zurückgezogen lebte. Bis dato von Flückiger überwiegend als Baumaterial verwendet, soll diese Kollektion aus vergangenen Tagen wieder ihrer originären Form angenähert werden.
5000 VHS-Kassetten, säuberlich beschriftet, archiviert in Kartons. Ein ganzes Menschenleben scheint sich in diesen Kisten zu verbergen; jemand, der seine Sinnhaftigkeit nach dem Verlust der Ehepartnerin darin gefunden hat, das Fernsehprogramm aufzuzeichnen. Den Betrachtenden stellen sich Fragen: Worum mag es dem Betroffenen gegangen sein? Darüber, die Kontrolle zu behalten, in einem Leben, das entgleitet? Einfach nur die Zeit zu füllen? Wie endlos müssen Stunden sein, wie groß die Leere, die es zu füllen gilt? Die Paletten, die Masse an Kassetten, lassen uns eine Idee davon bekommen.
Auch in den anderen gezeigten Arbeiten in der Jungen Kunst e.V. greift der Künstler auf bereits genutzte, bildbasierte Medien zurück und zeigt diese erstmalig in einem deutschen Kunstverein.
Benedikt Flückiger (*1987) beschäftigt sich mit Archiven, Datenträgern und Medien. Er untersucht Materialien, welche durch den technologischen Fortschritt ihre gesellschaftliche Relevanz im Laufe der Zeit eingebüßt haben, jedoch immer noch Inhalte von Bedeutung transportieren. Der Einfluss von Zeit, besonders bei analogen Medien, ist dabei von außerordentlichem Interesse für den Künstler und immanent in seinen Werken. Der Künstler studierte Freie Kunst an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und schloss sein Studium 2018 als Meisterschüler bei Asta Gröting und Sean Snyder ab. Benedikt Flückiger lebt und arbeitet in Braunschweig.
Text: Benedikt Flückiger, Lucie Kolb